Gedicht - Samuel Gottlieb Bürde |
Die Ueberraschung Auf dem Lande, bey der trauten Freundin, War, ach! eine ewig lange Woche Schon mein Liebchen. Alle, alle Tage Ging ich vor das Stadtthor, nach der Gegend Dort am Fuß des südlichen Gebirges, Sehnsuchtsvoll zu schaun; – selbst hin zu eilen Wehrten mir die leidigen Geschäfte. Aerger als ein junger Dichter schalt ich Auf die Stadt, und pries des Landes Vorzug. Heute konnt’ ich mit der Abenddämmrung Meine Lieblingsaussicht erst besuchen. Bey der Windmühl auf dem Hügel stand ich Eingewurzelt, wie ein Meilenzeiger, Ausgestreckt den Arm, den Zeigefinger Ganz genau nach meines Herzens Pole Hingerichtet. – „Flügel! hätt’ ich Flügel!“ Und mich trugen Phantasie und Liebe Schwebend fort; mein innres Aug erblickte Schon das Landhaus, das Portal von Linden Das den Eingang schatticht überwölbet; Offen stand der Gartenmauer Pförtchen, Offen auch die Hinterthür des Hauses. Leise hatt’ ich mich hineingeschlichen, Wollte nun die Treppe schnell ersteigen, Als ein Baum, an den ich unsanft streife, Mich aus meinem wachen Traum erweckte. – Still und einsam lag die Abendlandschaft; Sternchen blinkten hin und her am Himmel, Lichter da und dorten durch die Fenster. – Jetzt – wie schlug das Herz mir! – kam ein Wagen Auf dem Fahrdamm angerollt; im dunkeln Ward mir nur die schaukelnde Bewegung Sichtbar; schon verdoppelt’ ich die Schritte, Ihn am nahen Stadtthor zu erreichen, Als ein morsches Rad mit dumpfem Prasseln Brach. Ich fliege hin. Zwey wohlbekannte Stimmen unterscheid’ ich. – Hülfe! Hülfe! Ruft die Zofe; – „Ruhig, spricht die Dame, Ist uns doch kein Leides wiederfahren. Und sie stiegen aus. Auf meinen Lippen Schwebte schon die zärtlichste Begrüßung; Ausgebreitet hielt ich schon die Arme, Die Willkommne an mein Herz zu drücken. Doch im Nu gab mir, ich weiß nicht welcher Dämon ein, des Wiedersehens Freude Noch durch Ueberraschung zu erhöhen. – Tief drück’ ich den Hut mir in die Augen, Decke mit des Ueberrockes Klappen Kinn und Mund; mit schnarrender, verstellter Stimme redend, glückt mirs, sie zu täuschen. Mein Geleit ward dankbar angenommen, – Meinen Armen eilte sie an meinem Arm entgegen; hell vor ihrer Seele Stand das Bild der frohsten Ueberraschung; Ich empfand in ihres Schrittes Eile Ach! der Liebe süßen Drang. Wir schlüpften Schweigend durch die dunklen Gassen. Dasmahl Segnet’ ich die sonst so oft verwünschte Kargheit der Erleuchtung. Vor der Wohnung, – Meiner Wohnung — hielt das Karavanchen. Abschied, zärtlich Abschied nahm der Führer, Doch sein Händedruck blieb unerwiedert. – Und die Thür ging auf, der Leuchte Schimmer Fiel auf mein Gesicht, mit ihm der Neugier Seitenblick; – Ein lauter Schrey der Freude! – Brünstig erst umarmt, dann ausgescholten Stand ich, lachend, vor ihr. Des Entzückens Sprachverwirrung ließ auf ihre Fragen Mich nicht Worte zur Erzählung ordnen. Welch ein Abend! Am gedeckten Tischchen Welch ein trautes Gegenüber! Endlich Im getheilten Bett welch süßer Schlummer! |
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