Gedicht - Otto Weddigen |
Die Gefangenen auf dem Ravensberge Zwei Gefang`ne, schwer in Ketten, Liegen tief im Felsenturm; Seine Luft ist feucht und mod`rig Und birgt nur den gift`gen Wurm. Karge Kost ist ihre Nahrung, Ihnen lacht kein Sonnenstrahl; Keine Stimme dringt Zu ihnen, Nicht das Glöcklein in dem Thal. Einst versiegen rings die Wasser Vor der Sonne heißen Glut; In der Eb`n selbst vertrocknet Ist des Bächleins klare Flut. Sprach der Graf vom Ravensberge: `Wehren wir fortan der Not! Geht und saget den Gefang`nen Bei dem nächsten Morgenrot, Daß ich ihre Ketten löse, Frei und ledig soll`n sie sein, Wenn sie einen Brunnen graben In das Felsgestein hinein.` Wie den Armen hoch die Herzen Schlagen bei der Freiheit Wort! Wie sie meißeln, stoßen, graben Gleich am dunklen Felsenort. Monde, Jahre so verrannen Bei der harten Arbeit schnell; Da — im sieb`ten — Gottes Wunder! Sprudelt in der Tief ein Quell. Und der Graf vernimmt die Kunde, Trinkt das Wasser frisch und klar; Ritter, Knechte, Mägde nahen, Sehen, daß die Nachricht wahr. Darauf löst man den Gefang`nen Ihre Bande, giebt sie frei; Diese stürzen in die Arme Unter Dank und Freudenschrei. Aber kaum noch schau`n sie wieder Froh der gold`nen Sonne Licht, Als sie tot zu Boden sinken — Beider Herz vor Wonne bricht. |
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