Gedicht - Karl von Gerok |
Abschied vom großväterlichen Pfarrgarten zu Osterdingen. So geht es denn ans Scheiden, Mein Jugendparadies, Das mir so viele Freuden Als Blumen blühen ließ, Mit deinen Rosen allen Im Sommersonnenschein, Mit deinen Nachtigallen Im schattenvollen Hain! Noch einmal lass mich treten Die lieben Pfade all, Hier zwischen Blumenbeeten, Dort auf begrastem Wall, Auf deiner goldnen Brücke Noch einmal führe heut Die Seele mir zurücke Zur frohen Kinderzeit! Auch wenn am Frühlingsmorgen, Im bunten Nelkenflor Bis an die Brust verborgen, Sich hier das Kind verlor, Wie schwamm es da selig In Farbe, Duft und Tau, Wie wuchs ihm unabsehlich Das Beet zur Blumenau! Und dann dem Schmetterlinge Zu folgenden Stundenlang, Wenn er die Silberschwinge Von Blum auf Blume schwang, Bis übern Zaun die Straße Er nahm im Sonnenschein, Und wonnesatt im Grase Das müde Kind schlief ein! Doch wenn in Winterzeiten Ich zum Gemüseland Nur eilig durfte schreiten, Großmütterlein zur Hand: Horch, horch, wie dort im Winde Die Pappel ächzt und saust! So sprach sie, dass dem Kinde Das kleine Herz ergraust. Und als nun Stadt und Mauer Das Vögelein umfing Und in der Schule Bauer Es eingefangen hin: Wie spannt es froh die Flügel Zum alten Paradies, Wenn jährlich uns der Riegel Zu kurzer Lust entließ! Da grünte fröhlich wieder Des Lebens goldner Baum Und bot dem Chor der Brüder Der Früchte süßen Schaum, Man wusch vom Bücherstaube Im Morgentau sich rein Und gab dem Wind zum Raube So Griechisch als Latein. O träuermisch Vergnügen, Die Sommerstunden lan Im blühnden Gras zu liegen In süßem Müßiggang, Wenn summend rings im Kreise Die Bienen sich bemühn Und oben auf die Reise Die Silberwolken ziehn! Die Blumen zu erfrischen Mit reichem Perlenguss, Im höchsten Ast erwischen Den Apfel und die Nuss, Den süßen Most zu pressen Der weiß das Rad umschäumt, Da ward kein Jot vergessen, Die Stunde nie versäumt. Und ob auch oft die Beute Zum Zankesapfel ward Und man zertrat im Streite Manch Blumenleben zart, Und in zerknickten Ästen Der Gartenpfahl sich fing: Doch hatten wir zum besten Gewählt den Kampfesring. Denn über Burgruinen Erwuchs dies Blumenreich, Schlosswall und Graben grünen Noch deutlich durchs Gesträuch, Heinrich von Osterdingen Sah oft im Abendwehn Mit leisem Harfenklingen Der Knabe vorübergehn. Auch dich noch lass mich grüßen, Geliebter Greis am Stab, Obwohl die Blumen sprießen Schon längst auf deinem Grab: Noch seh ich dort dich schleichen Im Baumgang, leicht gebückt, Dieweil aus den Gesträuchen Der Locken Silber blickt. Als in der Kirche drüben Dein heilig Amt war aus, Ist dir noch hier geblieben Das grüne Gotteshaus, Als in Christi Garten Gepflegt genug der Frucht, Hier durftest du noch warten Der leichtern Blumenzucht. Und war die Hand, die greise, Auch diesem Amt zu schwach, Und sah dem jungen Reife Gar manche Unart nach: Es rankte sich die Wildnis Nur holder immer mehr Verhüllend um das Bildnis Des alten Siedlers her. Sie trugen eines kalten Schneemorgens ihn hinaus, Nun wird ein Andrer schalten Im Garten und im Haus; Er wird die Bäume lichten Und neue Wege ziehn, Er wird die Beete richten, Dass andre Blumen blühn. – Fahr wohl, mein grünes Gosen, Wo sich zu Lieb und Lust Mit jungen Maienrosen Erschloss des Knaben Brust; Den ich zum Abschied pflücke, Der letzte Strauß ist dies, Ich kehre nicht zurücke, Mein Kindheitsparadies! |
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