Gedicht - Karl Lappe |
Die Rede der Wellen Von Uferbergen Horch` ich hinnieder, Am Saum der Welle Lausch` ich umher. Aus Liethenthälern, Von Dünenhügeln Erforsch` ich sinnend Die Wunderrede Des lauten Meers. Herüber tönen Die Wellenstimmen, Bald schauertragend, Bald sehnsuchtweckend, Wie Kriegestöne, Wie Liebesflüstern, Wie Prophezeiung Von sel`gen Welten, Wie Todesruf. Und nimmer rastet Die Wellenzunge; Doch unergründet Verhallt der Laut. O, sagt mir, Steine Am Meeresrande, Mit grünen Locken Zierlich gekämmt: Was spricht die Welle, Die um euch kräuselt? Was spricht die Woge, Die euch begräbt? Es nah`n die Fluthen Mit Schaum und Schall. Allein verloren Ist euch die Rede. Ihr hört kein Rauschen, Die tausend Zungen, Die um euch spielen, Ihr hört sie nicht. Auch geht hinunter Zum Meergestade Der stolze Mensch, Der hohe Herrscher Des Erdeneilands, Der Vielgewandte, Der tiefe Forscher, Der Allgelehrte; Er hört das Brausen, Doch weiß er nimmer, Woher es gehet, Wohin es fährt. Nur wenn am Ufer Ein Dichter wandelt, Der Ahnungvolle, Der reine Seher, Der Zauberschüler, Der Angewehte, Der Geisterliebling, Der Eingeweihte Der Wunderwelt: Dem schwillt der Busen Von heil`gem Schauer. Ein süßes Beben Ergreift sein Herz. In Phantasien Der Ahnung sinnend Erkennt er staunend Bekannte Töne, Wie Freundesstimmen, Wie einstgehörtes Verschollnes Wort. Allein gefesselt Von Erdenketten, Allein umbauet Mit dumpfem Staub, Kann er der Deutung Sich nicht bemeistern, Und nicht beschwören Der Zauberlaute Verborg`nen Sinn. Doch wenn, ermattet Vom süßen Streben, Er niedersinket, Und in den Armen Des Schlummergottes Die Wimper schließt; Dann spricht im Traume Von Geisterlippen Der Stimmen Deutung Ihm unverhüllt. Begeistert rafft er Sich auf vom Schlummer, Und horcht von neuem Von Uferbergen, Am Wellensaum. Und nun versteht er Der Töne Brausen, Und nun vernimmt er Von Meereszungen Gemeßne Rede, Wie Liederschall. Und tief erschüttert Spricht er entgegen, Singt er entgegen Dem Unsichtbaren, Das zu ihm spricht, Soll er verrathen Den Erdenkindern, Was ihm im Traume Von Geisterlippen Geflüstert kam? — Noch lernt` ich wenig, Doch will ich stammeln, Wie jüngst die Welle Mich angesungen Auf Wittow`s Strand: Hinweg! wir zerschmettern. Fleuch zitternd das Zürnen Der wandelnden Meerskraft! Nicht prasselndes Feuer Verheeret den Erdball Am Ende der Tage. Die wälzende Woge Schlingt ihn ein. Schon Jahrtausende Müssen wir klatschen Wider die Klippen. Bald droht die dröhnende Feste den Sturz. Wir grollen, wir rollen In brennendem Strudel. Da brechen, da brechen Dünenberge, Krachen der Kreide Pfeiler zu Kies. Hinan den Wall! Dreivierfach gestürmt! Ueber Vordermanns Schulter! Reckt auf den giftigen Kamm, Ihr Basilisken. Brüllt Siegesliederchor! Unser ist die Welt. Die breite weißgüldene Au Ein breites schwarzes Grab! Finster klafft die Tiefe. Es harret noch dein Der bodenlose Schlund, Mit Menschenschädeln zu pflastern Weht dich nicht kalt an, Blut, Der nahe kalte Tod? — Da griff Entsetzen Mir in das Haar. Ich mied den öden Strand, Schlang um die grüne Flur Die liebenden Arme. Längst schwieg der Sturm, Ich wanderte heim. Da riefen mich murmelnde Wellchen an: Was ist linder, weicher Als die warme Woge? Netze den Fuß, Es wird dich erquicken. Es liebet die Sonne Die Fluthen zu silbern. Uns malet der Mond Dunkel golden. Hier badet der Stern Das grüne Haupt, Die geschorene Locke. Mann des Staubes, Zwischen den Bergen Weite dein enges Leben am Meer. Dichterschüler, Komm an`s Ufer! Liederseelen Wehn mit Wogen, Melodieen Mit der Fluth. Lerne, lerne! Was hier rauschet Ist die Tuba Des Homeros, Ist die Harfe Ossians. |
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