Gedicht - Gustav Pfizer |
Des Räthsels Deutung Du siehst des Stromes schöne Wogen, Du tauchst in seine klare Fluth; Doch weisst du, wo er hergezogen, Und wo er müd` vom Laufe ruht? Du hörst `des Dichters Lippe klingen, Du schaust sein Auge geisterhell; Doch kannst du in die Brust ihm dringen Und schau`n der Lieder hellen Quell? Wohl künden sie: verborgen liege Ihr Quellpunkt m dem tiefsten Schacht Und ihre räthselhafte Wiege Umschwebe eine ew`ge Nacht, Denn auch wo Glut und Lust sich gatten Und in des Tages Farben blüh`n, Zieht schwebend doch ein leiser Schatten Durch das besonnte Bild sich hin. Und wieder: wenn in Schmerz und Thränen Ein nächtlich Lied dem Mund entquillt, Muss einmal freudig doch ertönen Vom Strahl das schwarze Memnonsbild, Doch mag nur der die Kunde holen, Der selbst solch Räthsel sich bewusst: Es ruht mit Auen seinen Polen Das Leben in des Dichters Brust. Sie, die das Herz in Gram ersticket, Die Armuth ist ihm schmerzlich nah! Doch hat er Schätze auch erblicket, Wie sie kein Sterblicher noch sah. Er eilt, in dürftigen Gewanden, In seiner Fabel buntes Hans Und theilet Kronen, Diamanten Und Gold mit beiden Händen aus. All seine Reize hat das Leben In Einen Feuerpunkt gehäuft, Und so hat es sieh ihm ergeben, So ist`s an seiner Brust gereift. Doch nimmer hat auch der Gedanke Des Todes ihm die Lust geirrt. Er folgt ihm bis zur Zauberschranke, Wo wieder er zum Leben wird. Da hat er leuchtende Paläste Und ew`ge Temper sich geweiht Da halt er selig stille Feste Und nennet sie Vergangenheit. Ein Trugbild nur ist die Vernichtung, Das dunkler Seelen Nacht bedroht; Es weist im Zifferblatt der Dichtung Ein Pfeil auf Leben und auf Tod. Es strömt dem Dichter goldne Gluthen Der Stern der Liebe in die Brust; Und alle Geister, die noch ruhten, Ergreift des Schaffens kühne Lust. Jezt giesst in holden Wahnsinns Wogen Verschwendrisch sich die Seele aus; Doch reicher als sie ausgezogen, Kehrt immer wieder sie nach Haus. Und jener Stern — kannst du errathen - Wenn er so freundlich strahlt und mild - Dass Saamen fürchterlicher Thaten Aus seinem blauen Schoosse quillt? In Nebellicht, unheimlich blasses, Verbirgt er seinen klaren Schein Und greif! als Lueifer des Hasses In das zerrissne Herz hinein. Und kannst das Herz du noch erkennen, Gemartert von der der Liebe Krampf? Du sahst`s in Rosenpurpur brennen, Jezt glüht es auf in Qualm und Dampf. So ist des Dichters tiefste Seele! Wohl ist sie keusch dem Blick verhüllt, Und seine Tugend, seine Fehle Schaust du nur in des Liedes Bild. Wie aus dem Ofen die Metalle Dringt aus der Brust der Lieder Fluss; Und freudig staunend stehen alle Am schönen farbenvollen Guss. Und wenn die Massen sich verkalten Gefühllos ohne Lust und Schmerz, Will freundlich mancher sie erhalten Als eines Dichters tiefstes Herz. — O, dass das reinste meiner Lieder Ein Blüthenstrauss voll Farb` und Lust, Lebendig jezt mir kehrte wieder, Und blieb als Herz in meiner Brust! Doch dieses Sprühen! dieses Brausen! Es ist ein schmerzlicher Gewinn! Wohl mag ein mächt`ger Gott da hausen: Doch fühl` ich Andres noch darin! |
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